Beginn der Reformation in Zürich
Als Jubiläumsjahr der Reformation in Zürich gilt seit jeher das Jahr 1519 mit dem Amtsantritt Huldrych Zwinglis (1484-1531) als Gemeindepfarrer am Grossmünster. Zwingli war unabhängig von Luther zu den grundlegenden reformatorischen Einsichten gelangt: Die Bibel ist alleinige Autorität, Grundlage und Quelle der wahren Lehre Christi, und das Heil ist allein in Christus zu finden. Seine Predigt verkündigte die «fröhliche Botschaft Christi». Sie richtete sich dabei gegen das ganze römisch-katholische Kirchen- und Frömmigkeitswesen, aber auch gegen das Geschäft mit der Vermittlung von Schweizer Söldnern ins Ausland. Sie führte zu immer heftigeren Auseinandersetzungen in Zürich und mit dem Bischof. Der Zürcher Rat lud schliesslich am 29. Januar 1523 zu einer öffentlichen Verhandlung («Disputation») über Zwinglis Lehre ein. Als Ergebnis wurde die schriftgemässe Predigt nach dem Vorbild Zwinglis für die ganze Zürcher Geistlichkeit als verbindlich erklärt. Der Rat hatte damit die kirchliche Autorität der römisch-katholischen Kirche abgelöst und die Verantwortung für die Durchführung der Reformation übernommen.
Die Täufer
Eine Gruppe der eifrigsten Anhänger und Anhängerinnen Zwinglis um Felix Manz und Konrad Grebel war bald unzufrieden mit dem Gang der staatlichen Reformation. Sie zielten auf eine bekennende Gemeinde nach dem Vorbild des Neuen Testamentes. Ihr Kennzeichen wurde die Verweigerung der Kindertaufe, und damit die Gehorsamsverweigerung gegen die Obrigkeit. Im Januar 1525 fanden in Zürich und Zollikon die ersten Erwachsenentaufen statt. Zwingli hielt aber am Ziel einer Reformation der ganzen Staatsgemeinschaft fest. Nach jahrelangen erfolglosen Bemühungen zur Rückgewinnung nahm er die Abspaltung der Täufer und Täuferinnen schweren Herzens in Kauf. Der Rat ging nun mit Bussen, Gefängnis, Verbannung und schliesslich Hinrichtungen gegen die Täufer vor. So wurde Felix Manz als Erster von insgesamt sechs Täufern durch Ertränken in der Limmat hingerichtet. 2004 haben Stadt und Kirche Zürichs die Nachkommen der Täuferinnen und Täufer um Vergebung gebeten und an der Limmat bei der Schipfe einen Gedenkstein für die Opfer angebracht.
Zürich und die Eidgenossenschaft
1528 schloss sich Bern der Reformation an, 1529 folgten Basel und Schaffhausen. Auch in vielen anderen Kantonen und den von den Eidgenossen gemeinsam regierten Untertanengebieten waren reformatorische Bestrebungen erfolgreich. Die «innern Orte», die Urkantone, Luzern und Zug, unterdrückten diese in ihrem Machtbereich gewaltsam. Zwingli forderte dagegen die freie Predigt des Evangeliums in der ganzen Eidgenossenschaft, die Reformation in den Untertanengebieten und die Abschaffung des Söldnerwesens. Seine Appelle – getragen von der Überzeugung, vor Gott für die ganze Eidgenossenschaft verantwortlich zu sein – blieben vergeblich. So befürwortete er schliesslich ein militärisches Vorgehen. Der erste Kappeler Krieg endete 1529 friedlich («Kappeler Milchsuppe»), aber ergebnislos. Im zweiten Kappeler Krieg erlitt Zürich eine Niederlage mit der Schlacht bei Kappel am 31. Oktober 1531 und Zwingli fand dort den Tod. Die konfessionelle Spaltung der Eidgenossenschaft blieb danach über Jahrhunderte bestehen.
Festigung und Ausbreitung der Zürcher Reformation
Nach Zwinglis Tod übernahm Heinrich Bullinger (1504-1575) die Leitung der Zürcher Kirche und wurde zu ihrem mindestens so bedeutenden zweiten Reformator. Er gab der Kirche eine Prediger- und Gottesdienstordnung, die jahrhundertelang galten. Nach der endgültigen Trennung von Luther in der Frage des Abendmahlverständnisses (sichtbar seit 1529 im Gespräch mit Zwingli in Marburg) einigte sich Bullinger darüber 1549 mit Calvin, was zu einem Zusammenschluss der Reformierten führte. Bullinger machte Zürich zu einer Heimat und Hilfsquelle für Glaubensflüchtlinge. Mit seinem riesigen Briefwechsel nahm er Einfluss auf die Reformation in ganz Europa. Seine Werke, vor allem die gedruckten Predigten, fanden über Europa hinaus Verbreitung. Sein «Zweites Helvetisches Glaubensbekenntnis» von 1566 wurde nicht nur sofort von allen Schweizer Kirchen unterschrieben, sondern weltweit bis in die Gegenwart Grundlage verschiedener reformierter Kirchen. Das umfassende Verständnis der biblischen Botschaft als Gottes Bund mit den Menschen, die Hochschätzung von Arbeit und Bildung und die Forderung christlicher Verantwortung für Staat und Gesellschaft gehen unter anderem auf die Zürcher Reformation zurück.