Sakrale Orte der grossen reformatorischen Aufbruchszeit, längst verschwunden, feiern ihre digitale Auferstehung im heutigen Zürich. Bizarre Szenarien sind vorstellbar: ein schwebendes Kloster, ein Siechenhaus an der Tramhaltestelle oder eine Kapelle im Supermarkt. Der Entwurf dessen, was war, schärft den Blick für das städtische Ganze.
Die Reformation zog nicht nur geistige und soziale Umbauprojekte nach sich, sondern auch handfeste. Verglichen mit den «altgläubigen» Städten wie Luzern, Fribourg oder Solothurn weist Zürich eine auffällig niedrige Kirchendichte auf. Der Grund: Viele Sakralgebäude wurden unmittelbar nach der Reformation zweckentfremdet oder abgebrochen. Ihre Inszenierung und ihr Prunk hatten in einer Konfession, die jede Mittlerfunktion zu Gott ablehnte, nichts mehr zu suchen. Andere Kirchen fielen der städtebaulichen Umgestaltung im 19. und frühen 20. Jahrhundert zum Opfer; höchstens Quartier- und Strassennamen verweisen noch auf ihre Existenz.
In der Ausstellung sollen sechs dieser Bauwerke visualisiert und mit den Hintergründen und Entwicklungen der Zürcher Reformation in Verbindung gebracht werden. Auch im Stadtraum selbst wird auf sie verwiesen. Ein besseres Wissen um diese verschwundenen Orte macht die historische Dimension von Innenstadt und Aussenquartieren verständlich. Die damit verbundenen Bilder stärken die Identität einer durch rege Bautätigkeit und globale Mobilität herausgeforderten städtischen Gesellschaft.
Ohnehin wird in der Diskussion um die schwindende Zahl der Kirchgänger und die abnehmenden Finanzen der Kirchgemeinden die Frage nach der Zukunft überzähliger Kirchen wieder aktuell. Tröstlich dabei, dass auch Kirchen vergängliche Objekte sind, obwohl sie wohl jede Generation «für die Ewigkeit» gebaut hat.
Link zur Publikation der Ausstellung: https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/staedtebau/archaeo_denkmal/publikationen/schriftenreihe/heft_13.html
Weitere Informationen: www.stadt-zuerich.ch/verschwundene-orte