Bildpolitik
Die reformierte Bildpolitik steht mit ihrem Ikonoklasmus, einem Bilderverbot in religiösen Belangen, vor dem Dilemma, tendenziell jede Abbildung für Afterkunst zu halten. Und soweit sich mit der eidgenössischen Reformation auch eine Gemeinschaft unter Gleichen etablierte, die weder Priester noch Landesherrn als Souverän anerkennt, vermeiden es die reformierten Stadtrepubliken Bern, Zürich, Schaffhausen und Basel tunlichst, Ausnahmepersönlichkeiten wie Kriegsherrn oder Grossen Räten Denkmale zu setzen.
So blieben in Zürich zwar ebenso romanische Grotesken am Münster erhalten, wie der in einer Turmnische platzierte gotische Karolus Magnus. Doch neben erbaulichen Brunnenfiguren wird man bis ins achtzehnte Jahrhundert Kunst im öffentlichen Raum und Denkmale schon gar nicht finden. Bereits das erste öffentliche Denkmal nach der Reformation, eine Ganzfigur des Wilhelm Tell als Teil eines barocken Schmuckgartens auf dem Lindenhof, verschwand nach wenigen Jahren in den Wirren der Helvetik. Der Denkmalsockel kann dort heute noch besichtigt werden. Zürich bringt so bis heute jedes Denkmal zum Verschwinden, sicher ein Grund dafür, dass im Gegensatz zu Luther, von Zwingli zu keiner Zeit ein ikonisches Bildnis hervorgebracht wurde.
Escher und Zwingli
Mit der Deutschen Reichsgründung und einer forcierten legitimistischen Denkmalpolitik wuchs allerdings auch in der sonst ikonophoben Schweiz das Bedürfnis nach nationaler Selbstvergewisserung in patriotischen Bildsetzungen. So durfte der Solothurner Bildhauer Richard Kissling 1895 das Altdorfer Telldenkmal errichten, nachdem er 1889 in Zürich die stehende Ganzfigur des Unternehmers, Bankiers und Sohnes der Stadt Alfred Escher auf dem Brunnen zwischen dem neuen Bahnhofsgebäude und dem ehemaligen Wallgraben, der heutigen Bahnhofstrasse, entworfen und ausgeführt hatte. Escher erscheint hier vor der Öffnung der Exedra der Bahnhofshalle als Überwinder der Naturgewalten, als Heros, Heilsbringer und Erlöser.
Dieser materialistischen Grösse musste in der städtischen Psychogeografie jedoch eine geistige entgegengesetzt sein und diese konnte analog reichsdeutscher Lutherdenkmale nur Zwingli bieten. Vier Jahre vor Escher hatte man vor dem Chor der Wasserkirche an der Limmat ein bronzenes, überlebensgrosses Standbild des Reformators in Talar und Barett, mit Buch und Schwert, aus der Hand des Österreichers Heinrich Natter auf einem schwarzen Granitsockel eingeweiht. Symptomatisch für das Standbild: Beredt ist hier nicht eine wiedererkennbare Physiognomie. Vielmehr müssen Ikonografie, Standort und ihr Kontext sprechen.