Der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli wehrte sich vehement gegen das Konzept des Ablasses und die Praxis des Ablassverkaufs. Welchen Freikauf von Sünden würde ein Mann oder (wahrscheinlich dringender) eine Frau wie Zwingli heute beklagen? Welche Instanzen setzen wir heute zwischen uns und unser Gewissen? Eine erste Umfrage im Bekanntenkreis zeigt: Wir zahlen eine CO2 Steuer, weil wir lieber fliegen als mit der Bahn fahren wollen. Drücken den Aufpreis für den Max Havelaar - Kleber ab, wenn wir exotische Lebensmittel kaufen, spenden lieber World Vision als noch weitere Flüchtlinge aufzunehmen und blättern doppelt so viel hin, um Fleisch von glücklichen Kühen, Schweinen und Hühner zu kaufen. Von welchen Gewissensbissen kaufen wir uns weiter frei? Wie sieht es mit der Pflege betagter Eltern, Steuereinsparungen und bösartigen Kommentaren im Internet aus?
Das Kunstprojekt Sündenschnäppchen (früher: Ablass-Aus-Verkauf) sucht nach modernen Formen des Ablasses und regt die BetrachterInnen zur Reflexion an: Bezahlen wir nicht auch heute lieber einen monetären Preis für unsere «Sünden», als uns mit unserer Fehlerhaftigkeit zu konfrontieren? Wer beruhigt in unserer säkularen Gesellschaft unser Gewissen und nimmt uns die Angst vor den Konsequenzen unseres Handelns?
Die Autorin Anna Papst formuliert aus Gesprächen mit ÖkonomInnen, PhilosophInnen, SoziologInnen, TheologInnen und ÖkologInnen analog zu den Ablassverordnungen und -preisen zu Zwinglis Zeiten, einen Katalog an modernen Verfehlungen und den mit ihnen verbundenen Zahlungen an eine dritte Instanz. Die Szenographin Annatina Huwiler und die bildende Künstlerin Simone Fröbel entwickeln überdimensionale Preisschilder in zwei Farben. Auf dem einen Preisschild stehen Vergehen und Preis aus Zwinglis Zeiten auf dem anderen die zeitgenössische Analogie. Das alte Preisschild wird - wie beim Ausverkauf - mit dem neuen überklebt. Der Aufbau der Kunstinstallation wird zur Performance: Unter den Augen der BesucherInnen der Vernissage bringen die drei Künstlerinnen am 11. Oktober 2018, dem Todestag Zwinglis, die Preisschilder rund um die Zwinglistatue bei der Wasserkirche an.